Die Welt, in der wir leben, wird von der Wirtschaft bestimmt. Auf individueller Ebene sowie auf Unternehmensebene, auf staatlicher Ebene, im Einzelhandel und Energiesektor. Ebenso in der Automobilindustrie, im verarbeitenden Gewerbe und in jeder anderen Branche auch. Gemeinsamer Antrieb, damit all diese Sektoren grundsätzlich funktionieren: die Finanzierung. Dabei ist Finanzwesen ein weit gefasster Begriff, der Aktivitäten im Zusammenhang mit Bankgeschäften, Fremdkapital oder Schulden, Krediten, Versicherungen, Kapitalmärkten, Bargeld und Investitionen beschreibt. Darüber hinaus umfasst das Finanzwesen auch die Überwachung, Schaffung und Untersuchung von Geldverkehr, Bankwesen, Krediten, Investitionen, Vermögenswerten und Verbindlichkeiten, die die Finanzsysteme ausmachen. Finanzinstitute (FI) tragen zunehmend direkt oder indirekt zur Belastung unserer Umwelt und der Ökosysteme bei, auf die wir für unser Überleben angewiesen sind.
Und mit dem obigen Auftakt bekommen wir nun ein Gefühl dafür, welche unverzichtbare Rolle das Finanzwesen für unsere Nachhaltigkeit spielen wird.
Nachhaltiges Finanzwesen ist nichts anderes als die Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Erwägungen (ESG) bei Investitionsentscheidungen, was zu mehr langfristigen Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten und Projekte führt. Und das aus guten Gründen.
Die Ungewissheit und die drastischen Veränderungen der Klimabedingungen, die Zerstörung von Boden, Luft und Wasser sind die globalen Herausforderungen unserer Zeit. Der langjährige Vorsitzende des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen, der inzwischen verstorbene Rajendra Pachauri, sagte dazu: „Die Erwärmung des Klimasystems ist unstrittig [...] der größte Teil der durchschnittlichen globalen Erwärmung der letzten 50 Jahre ist sehr wahrscheinlich auf den Anstieg der anthropogenen Treibhausgase zurückzuführen.“ Nun, da die Situation fast am „Point of no Return“ angelangt ist, sind drastische und sofortige Maßnahmen entscheidend, um eine nachhaltige Zukunft für uns alle zu gewährleisten.
Um die Nachhaltigkeitsparameter im Auge zu behalten, sollte man in der Wertschöpfungskette der Finanzdienstleistungen unterschiedliche Bereiche beachten:
Damit wird klar: Ohne eine echte Nachhaltigkeitspolitik und -governance wird es für Finanzinstitute schwierig, eine nachhaltige Perspektive aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Nachhaltigkeit sollte nicht allein zu einem obligatorischen Absatz im CSR-Jahresbericht werden, in dem zwar eine Absicht, aber keine klaren Maßnahmen geschildert werden. Denn längst sind Umwelt- und Klimaschutz auf höchster Ebene verankert und verfolgen einen viel umfassenderen substantiellen Zweck erhalten, für den das Pariser Klimaabkommen ein Beispiel ist.
Dieses Abkommen umfasst insbesondere die Verpflichtung, Finanzströme in Richtung einer kohlenstoffarmen und klimaresistenten Entwicklung zu lenken. Eine andere Möglichkeit, dies zu betrachten, sind zwei gegensätzliche Bewertungen, die von der Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEPFI) durchgeführt wurden:
Die Finanzinstitute setzen ihre nachhaltigen Ziele und Verantwortlichkeiten sowohl in ihren internen Abläufen um (in Bezug auf die Art und Weise, wie sie ihre physischen Standorte, ihr Personalressourcen ihre Kosten, ihre Chancen und ihre Risiken verwalten) als auch in ihren Aktivitäten, die sich auf die externen Interaktionen mit ihren Kunden und die Arten von Dienstleistungen, die sie unterstützen, sowie auf die von ihnen bereitgestellten Finanzierungen/Kredite beziehen.
Die Europäische Kommission hat im Juli 2021 die Strategie zur Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft vorgestellt. Sie stützt sich auf vier Säulen:
a. Finanzierung des Übergangs der Realwirtschaft zur Nachhaltigkeit: Ein wichtiger Schritt, denn er wird nicht nur die derzeitige Wirtschaft ankurbeln, sondern auch diejenigen finanziell unterstützen, die Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen ergreifen. Die Anerkennung von Tätigkeiten, die sich in der Übergangsphase befinden, wird auch Teil des Taxonomie-Rahmens sein (über den Climate Taxonomy Delegated Act). Dies wird dazu beitragen, die nicht nachhaltigen Tätigkeiten kontrolliert und rechtzeitig einzustellen.
b. Auf dem Weg zu einem integrativeren Rahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen: Der Rahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen wird inklusiver, wenn die Finanzierungsmöglichkeiten auch Kleinanlegern oder Verbrauchern und KMU angeboten werden. Außerdem kann das Finanzsystem durch eine höhere Versicherungsdeckung die Wirtschaft und die Gesellschaft besser vor bestimmten klimabedingten Risiken und den Folgen von Naturkatastrophen schützen. Die Risikoteilung zwischen öffentlichen und privaten Anlegern kann Marktversagen, das die Finanzierung nachhaltiger Infrastrukturen und eines innovationsgetriebenen Wandels behindert, wirksam bekämpfen.
c. Verbesserung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors und seines Beitrags zur Nachhaltigkeit: Der doppelte Blick aufs Wesentliche – eine Verbesserung der Finanzberichterstattungsstandards, die Nachhaltigkeitsrisiken angemessen widerspiegeln und gleichzeitige Förderung der Bilanzierung von Naturkapital. Dies kann geschehen, wenn Kreditagenturen ESG-Risiken berücksichtigen, Nachhaltigkeitsrisiken in ihre Risikomanagementsysteme und den aufsichtsrechtlichen Rahmen für Versicherer integrieren, strategische wissenschaftsbasierte Klima- und Nachhaltigkeitsziele annehmen und die Zusammenarbeit zwischen Behörden verbessern.
d. Förderung der globalen Ambition: Festlegung eines hohen Anspruchs bei der Entwicklung internationaler Initiativen und Standards für nachhaltiges Finanzwesen. Länder mit hohem Einkommen können Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen bei ihren Umstellungsbemühungen unterstützen.