T-Systems-Claim-Logo
Suchen
Bild zeigt Vogelperspektive auf verschiedene Roboterarme; Bild mit Verlauf

Im Prinzip grenzenlos

Predictive Analytics eröffnet zahlreiche neue Möglichkeiten. Ein Gastbeitrag von Prof. Stefan Wrobel.

Artikel als PDF herunterladen

Wissen, was morgen ist – ein uralter Menschheitstraum. Durch die Digitalisierung kann er wahr werden, in Teilen zumindest. Predictive Analytics – die vorausschauende Analyse – ist ein Einsatzbereich des maschinellen Lernens. Aus vorliegenden Daten modelliert dabei ein Algorithmus eine Zeitreihe und schreibt diese in die Zukunft fort. Einsatz und Nutzen einer solchen Analysemethode sind im Prinzip grenzenlos. Grenzen gesetzt werden ihr durch die Verfügbarkeit und Qualität von Daten, Algorithmen und Rechenleistung sowie das Wissen, wie man diese Zutaten kombiniert.

Predictive Maintenance – die vorausschauende Wartung – zählt zu einem der populärsten Anwendungsgebiete der prädiktiven Technologien. Aus dem, im Idealfall, großen Aufkommen an Prozessdaten einer Produktionsanlage generiert ein Algorithmus eine Vorhersage über zu erwartende Störungen, etwa durch den Ausfall von Maschinenkomponenten. Die Standzeit der Anlage kann damit verkürzt und die Beschaffung benötigter Ersatzteile beschleunigt werden.

Die Qualität der Daten 

Portrait von Prof. Dr. Stefan Wrobel

Prof. Dr. Stefan Wrobel ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS und Professor für Informatik an der Universität Bonn. Als Direktor des Fraunhofer-Forschungszentrums Maschinelles Lernen, Sprecher der Fraunhofer-Allianz Big Data-AI, stellvertretender Vorsitzender des Fraunhofer-Verbunds für Informations- und Kommunikationstechnologie und Sprecher der Fachgruppe „Knowledge Discovery, Data Mining und Maschinelles Lernen“ der Gesellschaft für Informatik engagiert er sich national und international für das Thema Digitalisierung sowie die intelligente Nutzung von Big Data und kognitiven Systemen.

Voraussetzung für eine solche Vorhersage ist die Qualität der Daten. Nur wenn darin alle denkbaren Zustände der Produktion abgebildet sind, lässt sich eine konsolidierte Prognose stellen. Unter diesen Zuständen müssten auch jene vorkommen, die man in der Praxis gerne vermeidet: Ausfälle, Pannen, Katastrophen. Sind bestimmte Zustände über- oder unterrepräsentiert, erfordert dies Expertenwissen aus der Produktion.

Rein datenbasierte Lösungen gelten deshalb nicht als der Weisheit letzter Schluss. Klüger ist es, hybrid vorzugehen und Daten aus IT und Produktion zu kombinieren. Darin liegt dann auch schon die Antwort auf die Frage zahlreicher produzierender Unternehmen: Muss ich mich im Zuge der digitalen Transformation zu einem IT-Unternehmen wandeln? Nur zum Teil. Natürlich ist der Aufbau von IT-Expertise und -Manpower sinnvoll und notwendig. Das Ingenieurwissen wird dadurch aber nicht geschmälert. Nicht jeder, der ein Predictive Analytics Tool zu bedienen weiß, kann auch das notwendige Fachwissen in die Analyse einbringen.
So können auch die Individualisierung in der Produktion ebenso wie andere Faktoren zu einer ungünstigen Datenlage führen, einem sogenannten Thin Data Case. In dem Fall ist ebenfalls die vermehrte Einbeziehung von Produktionswissen nötig.

Im Kreislauf designen

Kann der Algorithmus auch bei guter Datenlage fehlerhafte Voraussagen machen? Natürlich. Deshalb ist es unerlässlich, ein solches System im Kreislauf zu designen und im Rahmen einer Feedbackschleife dem Algorithmus als einem lernenden System die Möglichkeit zu geben, Fehler und ihre Ursachen zu erkennen und diese zukünftig zu vermeiden. Verbunden mit menschlicher Kontrolle und Bewertung.

Position unserer Wirtschaft

Die deutsche Industrie ist sich der Bedeutung in Bezug auf die Einführung vorausschauender Technologien durchaus bewusst und hat eine gute Ausgangsposition. Natürlich generieren die großen internationalen Internetunternehmen gigantische Datenmengen und haben so eine bessere Basis für Vorhersagen in diesem Bereich. Produzierende Betriebe indes verfügen jedoch über spezielle Daten in ihren Sektoren und das Expertenwissen auf ihrem Fachgebiet. Viele deutsche Unternehmen sind Marktführer in ihrem Segment und haben dadurch gute Voraussetzungen.

Beim Austausch der notwendigen Daten sind Sicherheitsbedenken oft ein hemmender Faktor. Der Austausch von Daten zwischen Maschinenbetreibern und IT-Plattformen oder Maschinenbetreibern und Maschinenlieferanten schürt sicherlich Sorgen um die Sicherheit. Ein solcher Austausch erfordert Plattformen, die es den Beteiligten erlauben, Daten souverän auszutauschen, sozusagen Ökosysteme zwischen gleichrangig Beteiligten. Fraunhofer und viele Wirtschaftsunternehmen haben dafür gemeinsam die International Data Spaces Association gegründet. Hierbei geht es uns unter anderem darum, aus Deutschland heraus zu zeigen, dass man Datenaustausch anders gestalten kann als große Internetunternehmen.

Der Mangel an qualifiziertem Fachpersonal stellt ebenfalls eine Herausforderung dar, zumal grundsätzlich alle Branchen diese Expertise benötigen. Hier haben wir gute Erfahrungen mit der Entwicklung firmenspezifischer Schulungsprogramme gemacht, mit denen eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter qualifiziert werden können.

Wichtig für Unternehmen ist jetzt, auch bei aktuell vollen Auftragsbüchern nicht die Zukunft aus den Augen zu verlieren: Der Fokus auf die digitale Transformation kann nicht warten.

Einsatz in Verkehr und Energie

Die fortschreitende technologische Entwicklung wird nicht nur Vorhersagen etwa im Rahmen von Predictive Maintenance immer solider machen, sie wird gleichermaßen der Technologie immer mehr Bereiche erschließen. Anomalie- und Mustererkennung sowie Qualitätskontrolle sind weitere lohnenswerte Einsatzmöglichkeiten im Bereich der Produktion. Auch Finanzen und Retail können große Vorteile aus belastbaren Prognosen ziehen, ebenso Medizin und Wissenschaft.

Besondere Einsatzmöglichkeiten bieten außerdem die Segmente Verkehr und Energie. Die allgemeine Begrenztheit der Verkehrsflächen und das zukünftige Aufkommen autonomer Fahrzeuge machen Vorhersagen zum erwarteten Verkehrsaufkommen notwendig. Der vermehrte Einsatz erneuerbarer Energien, deren Produktion ja sehr unregelmäßig ist, erfordert ebenfalls Prognosen. Ab einem Anteil Erneuerbarer am Energiemix von 50 bis 60 Prozent führt an Predictive Energy kein Weg mehr vorbei. Eine energieintensive Produktion würde ein Unternehmer dann zu dem Zeitpunkt ansetzen, an dem ein kräftiger Wind über der Nordsee prognostiziert ist.

Autor: Prof. Dr. Stefan Wrobel
Fotos: iStockphoto, Fraunhofer IAIS

Besuchen Sie t-systems.com außerhalb von Germany? Besuchen Sie die lokale Website für weiterführende Informationen und Angebote für Ihr Land.