Je höher der Digitalisierungsgrad, desto grösser ist auch die Abhängigkeit von Technologie. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht (mehr). Zu verwundbar sind die Systeme. Umso wichtiger wird ein Faktor, der angesichts der zunehmenden Anonymität in der digitalen Welt altmodisch scheint: Vertrauen. «Digital Trust» ist eine Neuinterpretation von guten, alten Werten wie Zuverlässigkeit und Sicherheit.
Service Level Agreements beinhalten vereinbarte Aussagen zur Verfügbarkeit und Wiederherstellung von Systemen. Die höchste definierte Verfügbarkeit wird mit 99.9 Prozent angegeben. Auf einen Monat berechnet, bedeutet diese 99.9-prozentige Verfügbarkeit einen Maximalausfall von immerhin 43:48 Minuten im Monat.
Klingt nach wenig. Doch (business-)kritische Systeme – vor allem, wenn wir uns Anwendungen wie dem autonomen Fahren oder, noch heikler, Remote-Operationen im Gesundheitswesen nähern – dürfen grösstenteils gar nicht mehr ausfallen.
Doch der faktischen Sicherheit steht oftmals auch noch die gefühlte Sicherheit gegenüber. Infrastrukturen, Daten, Applikationen, ganze Anwendungslandschaften oder Ökosysteme: die digitale Welt wird immer komplexer. Anwender oder ganz allgemein Kunden wollen sich sicher fühlen, wenn sie (neue) Technologien nutzen oder einsetzen.
Als herausfordernd, wenn nicht gar höchst gefährdend für potenziellen Vertrauensverlust werden folgende Bereiche angesehen:
Natürlich unternehmen Anbieter von Informationstechnologie und entsprechenden Services viel, um Vertrauen zu erhalten, aufzubauen und zu stärken. Konzepte wie Security by Design, die erwähnten Service Level Agreements oder der Fokus auf Technologien, in denen Sicherheit und Vertrauen inhärent sind wie bei Blockchain, zeugen davon, dass sich die Branche dieser Herausforderungen bewusst ist.
Und natürlich lässt sich das Rad der Geschichte nicht ins vordigitale Zeitalter zurückdrehen, als Vertrauen vor allem durch einen (analogen) Handschlag besiegelt wurde.
Notwendig wird hingegen eine neue, zeitgemässe Interpretation von Vertrauen und Zuverlässigkeit. Diese muss dem schnelllebigen digitalen Geschäft Rechnung tragen. Digitale Zuverlässigkeit, die zu digitalem Vertrauen führt, ist somit ein ganzheitlicher Ansatz für Geschäftserfolg in der digitalen Welt.
Denn für diesen Geschäftserfolg ist nicht in erster Linie eine laufende IT-Infrastruktur das Ziel, sondern ein zufriedener, jedoch mehr und mehr anonymer Kunde.
Dafür muss die IT stabil und sicher, zugleich aber auch schnell und innovativ sein. Und sie muss als Enabler für Wertschöpfung verstanden werden. Sprich: Anstelle – oder vielmehr ergänzend – zu den klassischen IT-Parametern wie Verfügbarkeit ist ihre Rolle bei der Optimierung von Unternehmensprozessen und bei der Entwicklung neuer, digitaler Ende-zu-Ende-Prozesse zu evaluieren. Bei einem Webshop beispielsweise ist in diesem Paradigmenwechsel nicht mehr nur die Verfügbarkeit der Server ausschlaggebend, sondern die Conversion Rate, die sich durch IT-Kategorien wie Ladezeiten, intuitive Bestell- und Abwicklungsprozesse oder Usability generell beeinflussen lässt.
Der Technologieanbieter entwickelt sich vom Dienstleister zum Geschäftspartner. Sein Verständnis des digitalen Geschäftsmodells seiner Kunden wird wichtiger, um sie bei der Umsetzung ihrer Geschäftsstrategien mit den geeignetsten Technologien zu unterstützen.
Digitales Vertrauen setzt eine ganzheitliche Betrachtung voraus. Sechs Aspekte lassen sich identifizieren, die miteinander ausbalanciert müssen.
Im Einzelnen sind das: Nutzerzentrierung, Innovation, Zertifizierungen, Verfügbarkeit, Sicherheit und die Kombination von Schnelligkeit und Agilität.
Nutzerzentrierung
Technologie ist Mittel zum Zweck. Sie soll dem Anwender Mehrwert bringen. Werden Anwendungen für ihn komfortabler, intuitiver und effizienter gestaltet, werden sie schneller akzeptiert und stärker genutzt. Der Anwender fasst somit Vertrauen zum Angebot, sucht nicht nach Alternativen und klickt nicht weiter zur Konkurrenz.
Innovation
Innovation hat viel mit vorausdenken zu tun. Damit, zu antizipieren, welche Probleme gelöst werden müssen oder welche Bedürfnisse neuer Lösungen bedürfen. Dank Prototyping oder Proofs of Concept beispielsweise können innovative Konzepte mit wenig Aufwand vor einem potenziellen Roll-out ausgetestet und verfeinert werden, was entscheidend auf das Vertrauen in ihren Einsatz «einzahlt».
Verfügbarkeit
Dank der Cloud sind Infrastrukturen und Applikationen jederzeit und von überall her verfügbar. Dafür braucht es zusätzlichen Schutz wie Monitoring, schnelles Disaster Recovery, hochsichere Backup- und Restore-Prozesse und Cybersecurity.
Zertifizierungen
IT-Anwendungen, IT-Infrastrukturen und sämtliche digitalen Services müssen von unabhängigen Zertifizierungsstellen geprüft werden. Entsprechende Zertifikate sind zwar kein Allheilmittel, erhöhen aber das Level an Zuverlässigkeit und schaffen dank Unabhängigkeit der Prüfstellen Vertrauen.
Sicherheit
Informationssicherheit gehört im digitalen Zeitalter in die DNA eines jeden Services, Produkts oder Technologie-Stacks. Doch genauso muss der menschliche Faktor berücksichtigt werden und erfordert stete Sensibilisierung in allen Fragen der IT-Security in Lösungen und Prozessen.
Kombination von Schnelligkeit & Agilität
Schnelles Reagieren auf Kundenanforderungen schafft Wettbewerbsvorteile. Agilität allein reicht heutzutage aber nicht mehr aus. Vertrauen schafft, wer Agilität nicht nur auf der IT-Ebene einführt, sondern diesen Mindset auch schnell in der gesamten Unternehmenskultur verankern kann.
Nur in der Verknüpfung aller sechs Aspekte kann Skepsis in Bezug auf die Einführung und den Einsatz neuer Technologien abgebaut werden. Die Schweizer gelten gemeinhin als vorsichtig und sind nicht zwingend «Early Adopter». Doch wird Digital Trust von vornherein in der Digitalisierungsstrategie mitberücksichtigt, kann Misstrauen in seinem Entstehen verhindert und das beste Fundament für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gelegt werden.