Staus, lange Schlangen, Gedränge und Stress gehören zu den alltäglichen Erfahrungen von Pendlern. Auch wer Bus und Bahn nutzt und weitere Mobilitätsanbieter einbezieht, kennt die Probleme mit Überfüllung und Anschlusssuche. Doch die vernetzte Mobilität mit einer gesetzlich verpflichtenden zentralen Datenverwaltung bietet Auswege.
Wer mit dem PKW unterwegs ist, braucht vielerorts Nerven: Pünktlich zur Arbeit zu gelangen, Parkplatzsuche, oder Termine einzuhalten sind tagtägliche Herausforderungen. Der motorisierte Individualverkehr (MIV) leistet sich dabei einen erheblichen Beitrag zum globalen Carbon Footprint: mehr als 150 Millionen Tonnen CO2 werden jährlich ausgestoßen – neben allen weiteren negativen Effekten wie Unfällen, Lärm- und Schadstoffbelastung.
Auch bei der Alternative, dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), schränken überfüllte Transportmittel, fehlende Anschlussmöglichkeiten und zu niedrige oder nicht abgestimmte Taktung zwischen Leitstellen die Mobilität der Fahrgäste ein. Neue Gesetzesnovellen und massive Förderprogramme sollen nun das Ende einer Ära einläuten: Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und übersteigertem MIV.
Noch ist es eine Vision: Innenstädte ohne Lärm und Hektik, in denen Elektrobusse, Sammeltaxis, Fahrräder und E-Bikes an allen Punkten komfortable Mobilität garantieren. Intermodales Reisen ist gefragt: lückenlose und gut planbare Transfers mit wechselnden Transportmitteln. Vom Bistro in der Mittagspause schnell und verlässlich zurück an den Arbeitsplatz und schließlich nach Hause – jederzeit für Nutzer z. B. über die App planbar je nach Verkehrsaufkommen und Wetterlage mit dem Transportmittel der Wahl.
Deutschlandweit mehr Mobilität bei dennoch weniger Verkehr. Zu schön, um wahr zu sein? Ein Kraftakt ist erforderlich, um die Verkehrswende herbeizuführen.
Der reine Ausbau der Flotten reicht nicht aus. Innovative Digitalisierungstechnologien verbessern die Koordination der verschiedenen Mobilitätsanbieter und deren Leitstellen untereinander. Große und kleine Anbieter profitieren von neuen, mandantenfähigen Leitsystemen und können so die gesetzlich bestimmten Echtzeitdaten bereitstellen – und ihren Fahrgästen attraktivere Angebote bieten.
Doch dazu bedarf es einer zentralen Anlaufstelle für die anbieterübergreifende Verwaltung von enormen Datenmengen – zum Wohle von Betreibern und Nutzern gleichermaßen.
Abb. 1: Mobilithek als Mobilitätsdatenanker in einem Datenraumnetz
Der erste große Schritt hin zu einer zentralen Datendrehscheibe mit Zugang zu großen Mengen an Mobilitätsdaten ist bereits getan: Mit dem Mobilitäts Daten Marktplatz (MDM) hat das BDMV im Auftrag der EU einen nationalen Zugangspunkt für alle Betreiber und Nutzer von Mobilitätsdaten geschaffen. Die EU fördert die Entwicklung von intelligenten Verkehrssystemen (ITS), und in Deutschland hat der MDM diese Aufgabe.
Es handelt sich um eine neutrale B2B-Plattform mit definierten Standards für den Datenaustausch. Die Idee: den Zugang zu Mobilitätsdaten über verschiedene Verkehrsmittel, Netzelemente und Akteure hinweg zu bündeln und zum einfachen Abruf bereitzustellen. Dabei laufen Informationen über aktuelle Fahrpläne, Verkehrsaufkommen, Staus, Störungen usw. zusammen.
Aber das ist nicht genug. Es geht nun darum, das Datenmanagement auszubauen und zu optimieren. Anforderungen aus den delegierten Verordnungen zur europäischen ITS-Richtlinie und dem novellierten Personenbeförderungsgesetz sehen vor, dass diese erste Generation des deutschen nationalen Zugangspunkts für Mobilitätsdaten auf eine neue Datenraumtechnologie portiert werden muss. Nach einer Ausschreibung erhielt T-Systems 2021 den Zuschlag für den Aufbau eines umfassenden Ökosystems für Mobilitätsdaten.
„Das war, wenn man so will, die Geburtsstunde der Mobilithek“, erklärt Sven Loeffler von der Telekom-Tochter T-Systems. „Die Aufgabe ist es, Daten von Verkehrsunternehmen, Straßenbau und Verkehrsbehörden bereitzustellen und Informationsdienste zu liefern. Die Deutsche Telekom ist für die Entwicklung und den Betrieb sowie die Migration von Vorgängersystemen verantwortlich.“
Alle Akteure, von Mobilitätsanbietern über Verkehrsbehörden bis hin zu Informationsanbietern, können ihre digitalen Informationen mit der Mobilithek austauschen. Entscheidend sind dabei die strengen Standards der International Data Space Association (IDSA) und deren IDS-Technologie für einen sicheren und vertrauenswürdigen Datenaustausch. Das IDS-basierte Design ermöglicht den Datenaustausch unter Wahrung der Datenhoheit. Das bedeutet, dass Wettbewerber nicht mehr befürchten müssen, die Kontrolle über die Verwendung ihrer sensiblen Daten zu verlieren, wenn diese ausgetauscht werden.
Im Oktober 2020 kündigte die damalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einem Automobilgipfel einen Datenraum für den Mobilitätssektor an. Aus dieser Initiative wurde der Mobilitätsdatenraum (MDS), der auf dem ITS-Weltkongress 2021 in Hamburg vorgestellt wurde. Damit wurde die Mobilithek zur ersten und wohl wichtigsten Datenplattform bzw. zum Anker der Mobilitätsdaten. Der MDS wurde von Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, mit Unterstützung mehrerer Fraunhofer-Institute realisiert.
Sie ist ausschließlich auf den Datenaustausch ausgerichtet. Er stellt die zentralen Dienste zur Verfügung, die für den Betrieb eines Datenraums gemäß der International Data Spaces Association (IDSA) notwendig sind:
Der Datenaustausch wird direkt zwischen den Teilnehmern selbst auf verteilte Weise unter Verwendung von IDSA-konformen Konnektoren hergestellt. Sowohl MDS als auch Mobilithek nutzen die IDS-Technologie, um eine technische Interoperabilität und eine Verknüpfung zu ermöglichen, die für Ende 2023 geplant ist.
Während die Mobilithek zumindest anfangs vor allem Mobilitätsdaten von öffentlichen Anbietern bereitstellen wird, lohnt es sich auch für private Anbieter, sich daran zu beteiligen, idealerweise unter Verwendung von MDS. Die klare Absicht ist es, durch die Mobilithek und ihre Anbindung an MDS Brücken zu bauen und den Datenaustausch zwischen privaten und öffentlichen Akteuren zu fördern.
Darüber hinaus könnte MDS ein Kanal für eine gesamteuropäische Expansion sein: andere nationale Zugangspunkte könnten sich verbinden, um einen gemeinsamen europäischen Mobilitätsdatenraum zu schaffen. Um alle Akteure zu vereinen, sind eine intelligente Architektur und eine reibungslose Interoperabilität der angeschlossenen Plattformen erforderlich.
„Unter der Haube“ des ambitionierten Großprojektes werkelt deshalb der Data Intelligence Hub (DIH) der Deutschen Telekom. Er fungiert im Wesentlichen als ein Datenmarktplatz, der den Austausch unter Wahrung der Datensouveränität und Datenrechte sichert. Die Verarbeitung und Analyse der Daten sind als Plattform-as-a-Service-Angebot in der Cloud angelegt. Die Mobilithek nutzt ihrerseits Komponenten des Telekom DIH.
Als Pionier auf dem Gebiet der Datenräume hat das Telekom DIH seine frühen Erfahrungen und Erkenntnisse in ein sorgfältig ausgearbeitetes dreistufiges Befähigungsangebot umgesetzt, um einen großen Sprung ins Unbekannte zu vermeiden und es jedem Kunden zu ermöglichen, „groß zu denken, klein anzufangen und schnell zu skalieren“.
Die Deutsche Telekom entwickelt maßgeschneiderte Beratungslösungen, die auf einer Reihe von standardisierten und daher kosteneffizienten Onboarding-Paketen für Datenräume basieren. Diese Suite besteht aus Paketen, die in die beiden Phasen „Investigate & Understand“ und „Implement & Scale“ unterteilt sind.
Nach der Vorbereitung ist das zweite Angebot, das auf „Advisory“ folgt, „Get Connected – Products“, dass die Produkte „Connect“ (Telefonanschluss) und „Space“ (Telefon- und Nebenstellenanlagen) umfasst – alle benutzerfreundlich und bequem als verwalteter Service in der Cloud bereitgestellt, der Sie vor der Weiterentwicklung der Technologie unter der Haube schützt.
Das dritte Angebot ist „Build & Orchestrate on Your Terms – Ecosystems“, das es Ihnen ermöglicht, Ihr eigenes Daten-Ökosystem aufzubauen, zu erweitern und zu pflegen, einschließlich der Einrichtung und Konfiguration von Datenräumen. Eine Innovation in diesem Bereich ist der einzigartige Sovereign Stack oder die „Sovereign-all-the-way“-Lösung, die sozusagen ein Sandwich für den souveränen Datenaustausch mit dem Connect-Produkt auf der T-Systems Sovereign Cloud powered by Google Cloud schafft. Dadurch können Daten auf souveräne Art und Weise persistiert und verarbeitet werden, bevor sie auf souveräne Art und Weise ausgetauscht werden.
Abb. 2: DIH-Angebote der Telekom – Beratung, Produkte, Ökosystem.
Aber wie sieht das in der Praxis aus? Die intermodale Reiseplanungsanwendung der Telekom DIH, die durch einen Datenraum ermöglicht wird, zeigt dies eindrucksvoll. Die App wurde als Minimal Viable Product (MVP) und Demonstrator für Planungszwecke im RealLab Hamburg entwickelt und mit Live-Daten und Besuchern auf dem ITS World Congress 2021 in Hamburg getestet. Im Jahr 2022 erhielt das RealLab Hamburg den „Innovationspreis Reallabore“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.
„Das RealLab Hamburg ist ein echter Wendepunkt. Mehr als 30 namhafte Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft haben gemeinsam neue Lösungen nicht nur entwickelt, sondern auch live getestet. Das Ergebnis [...] zeigt erstmals, wie die Mobilität einer Region positiv verändert werden kann – nachhaltiger, sicherer und attraktiver“, so Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hochbahn AG, dem zweitgrößten Nahverkehrsunternehmen in Deutschland.
Das Team von Telekom DIH nutzte die Datenraum-Innovation, um neuartige Datenketten mit Kundendaten zu konstruieren. Das Ziel: eine Mobilitäts-Super-App für neue Mobilitätsketten zu ermöglichen, die mehrere Verkehrsträger wie öffentliche Verkehrsmittel, Mikromobilität und Shuttle-Dienste miteinander verbinden. Die App basiert auf einem Datenraum, der die erforderlichen Daten bereitstellt, darunter statische Routen- und Fahrplandaten für öffentliche Verkehrsmittel, dynamische Daten für Parkplätze und Standorte von bspw. Elektrorollern sowie die Mitgliedschaftsangebote und Rabatte des Nutzers bei konkurrierenden Anbietern.
Die gute Nachricht: Intermodales Reisen kann beeindruckende Geschwindigkeitsgewinne bringen, was eine Verlagerung des Verkehrs auf andere Verkehrsträger und die Einsparung von CO2-Emissionen wahrscheinlicher macht. Wer würde nicht gerne schneller von A nach B kommen? "Nichts ist effektiver für eine Verhaltensänderung als ein besseres, schnelleres und billigeres Produkt", ergänzt Sven Löffler.
In Zukunft könnte eine Verknüpfung mit der Mobilithek die App-Leistung mit zusätzlichen Daten wie Kontext- und lokalen Ereignisdaten weiter verbessern.
Denn egal, ob im Berliner Olympiastadion das Derby „Hertha vs. Union“ ansteht, 30.000 Menschen auf der Münchner Messe ein Helene-Fischer-Konzert besuchen oder die „Hanse Sail“ in Rostock über Tage hinweg Hunderttausend Besucher in die Stadt lockt – Großereignisse oder auch nur ein stundenlanges Unwetter können dem Verzicht auf E-Scooter oder dem Ausweichen auf Carsharing-Angebote schlagartig großen Sinn geben.
Nichts ist effektiver für eine Verhaltensänderung als ein besseres, schnelleres und billigeres Produkt.
Sven Löffler, Tribe & Chapter Lead Data Intelligence Hub
In dem Wirrwarr immer neuer technischer Entwicklungen den Überblick zu behalten, ist eine Herausforderung für die Akteure im Bereich der Mobilität und lenkt oft von der Konzentration auf das Kerngeschäft und die Innovation von Dienstleistungen ab. Auf der Suche nach starken Partnern kommt der Deutschen Telekom als Pionier und Marktführer besondere Bedeutung zu: Sie verfügt über zahlreiche Schnittstellen mit ihren Kunden. In der Automobilbranche investiert sie selbst in neue Infrastrukturen: CASE (Connected, Autonomous, Service-based, Electrified) ist ein zentraler Punkt dieses Engagements.
Neben dem vernetzten Fahren, dem Smart Parking und den Aktivitäten für den hochkompatiblen Ausbau von Ladesäulen für Elektromobilität hat sie auch für Leitstellen im ÖPNV mit ITCS (Intermodal Transport Control Systems) viel zukunftsfähiges zu bieten. Nicht zuletzt zeichnet sie Projekte und Initiativen mit ihrem eigenen, anerkannten GreenMagenta-Label für Nachhaltigkeit aus. Einen besonderen Stellenwert nimmt zudem das konsequente Engagement für Datenschutz und Datensicherheit ein. Grund genug also, sich mit einem verlässlichen Partner zu vernetzen.
Doch es ist immer noch mehr Raum für Innovationen im Mobility Data Space. Mit den Gaia-X Federation Services (GXFS) steht bereits die nächste Generation der Dateninfrastruktur bereit. GXFS wird Daten- und Infrastrukturökosysteme miteinander verknüpfen und so ein föderiertes Ökosystem schaffen. Offen, transparent und sicher. Das Ziel: Die Souveränität der europäischen Digitalwirtschaft.
Die enormen Anstrengungen im Spannungsfeld von globaler Erwärmung, Schmutz- und Lärmbelastung in Innenstädten und dem mangelnden Ausbau des ÖPNV in ländlichen Gebieten beginnen zu fruchten. Neue Mobilitätsanbieter drängen auf den Markt, und manch große Player können von der Integration dieser Dienste in ihre Angebote bei geregelter Datenlage und Souveränität nur profitieren.
Weniger suchen, mehr finden: Die Mobilithek erleichtert das Suchen, Abrufen und Aufbereiten von Daten für innovative Verkehrslösungen und kann zur Verkehrswende beitragen. Mit ihr haben die Behörden alles im Blick: Fahrplandaten, Verkehrsinformationen in Echtzeit, Störungen und lokale Einflüsse auf den Verkehr: Sie bildet überhaupt erst die Grundlage dafür, dass solche Daten den Nutzern für ihre Reiseplanung zur Verfügung gestellt werden können.
Darüber hinaus steht der Mensch im Mittelpunkt: ein zentraler Zugriff auf Mobilitätsdaten, auf deren Basis neue, individuell angepasste Angebote entstehen, die eine fortschrittliche Mobilität im öffentlichen Verkehr realisieren. Damit wird auch der Trend zur überregionalen Zusammenarbeit von Verkehrsverbünden gefördert.
Daten, die über die Mobilithek bereitgestellt werden, sind von verkehrspolitischer Bedeutung – wenn es zum Beispiel um die Straßenverkehrssicherheit geht. Aber sie schaffen auch die Möglichkeit zum Austausch mit individuellen Nutzungsrechten und eröffnen insbesondere Start-Ups und Unternehmen einen einfachen Weg, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die gesetzlich vorgeschriebenen offenen und die den freien Lizenzen zugrundeliegenden Daten können daher von jedem Akteur nutzbringend eingesetzt werden.
Mit der Data Intelligence Hub-Technologie entsteht ein Marktplatz für den digitalen Datenaustausch mit einer hohen Innovationskraft und Reichweite. Die Chancen für individuelle Wertschöpfung als auch profitable Kooperationen fordern zum Handeln auf. Nicht zuletzt für eine klimafreundliche Zukunft und zufriedene Fahrgäste, die die Vorteile des nachhaltigen intermodalen Verkehrs flexibel nutzen.