Uwe Birkenhauer, SAP Portfolio Executive bei T-Systems
Seien wir ehrlich: Das Einzige, was bislang klar ist, sind die nationalen Zielvorgaben bzw. die Vorgaben der EU. Nicht weniger als 55 Prozent CO2 sollen bis 2030 eingespart werden, um den Klimakollaps zu verhindern. Doch viele Unternehmen stehen noch ganz am Anfang ihrer Nachhaltigkeitsreise. Welche Rolle kann SAP bei der Erreichung der Klimaziele spielen? Wir sprachen dazu mit Uwe Birkenhauer.
Uwe Birkenhauer, SAP Portfolio Executive bei T-Systems, verfolgt schon seit Jahren die Trends und Entwicklungen rund um SAP. Er kennt die Bedürfnisse auf der Seite der Nutzer ebenso wie die Planungen von SAP für die Weiterentwicklung ihrer Leistungen.
Im Wesentlichen lassen sich zwei Entwicklungen festhalten. Die neuere von beiden ist: SAP hat das Business-Potenzial von Nachhaltigkeit erkannt und bietet nun auch Software-Lösungen an, die Unternehmen helfen sollen, ihren Produkt Footprint zu bestimmen und zu verbessern. Das zweite Thema ist schon seit einigen Jahren virulent: Der Transfer von SAP Workloads in die Cloud.
Tatsache ist, dass ein On-Premise-Betrieb von SAP-Systemen niemals die Effizienz- und Skaleneffekte eines professionellen Betriebs in der Cloud erreichen kann. Die Skalierbarkeit der Cloud erlaubt eine optimale Ressourcenanpassung an den aktuellen Betrieb. Intelligente Auslastungs- und Kühlungskonzepte heben weitere Synergien. Zusammen mit dem reduzierten Speicherbedarf moderner S/4 HANA Systeme können dadurch bis zu 75 Prozent an Server-Kapazitäten eingespart werden. Das bedeutet auch eine deutliche Reduktion der eingesetzten Energie und damit von CO2.
Das Deployment-Modell spielt keine entscheidende Rolle. Viel wichtiger ist, wie die dahinterstehenden Rechenzentren betrieben und ob sie intelligent gemanaged werden. Der PUE-Wert, oder „Power-Usage-Effectiveness“, also das Verhältnis von für die reine Rechenleistung aufgewendeter Energie zum Gesamtenergieverbrauch des Rechenzentrums, ist hier eine der entscheidenden Größen – zum anderen aber auch die Quellen des genutzten Stroms. Wir sehen, dass die Hyperscaler auch einen Fokus auf einen energieeffizienten und „grünen“ Rechenzentrumsbetrieb legen. Alle Player ziehen an einem Strang.
Wir betreiben unsere Rechenzentren schon seit Jahren mit 100 Prozent Ökostrom. Unsere Anlagen in Biere/Magdeburg mit ihrer LEED-Gold-Zertifizierung gehören zu den modernsten und energieeffizientesten Rechenzentren Europas mit einem PUE von 1,3. Eine Verlagerung von SAP-Workloads in unsere Private Cloud bringt damit eine spürbare Reduktion für den Carbon Footprint. Das ist einer der Gründe, warum wir das Green Magenta Label erhalten haben.
Das Green Magenta Label ist zwar ein Telekom-internes Siegel, aber der Zertifizierungsprozess ist vergleichbar mit der Vergabe externer Zertifikate wie dem Climate Neutral Data Center und dem LEED. Wir durchliefen einen mehrstufigen Prozess, in dem wir unsere Nachhaltigkeitsbeiträge belegen mussten. Eines der Ergebnisse: Im Schnitt sparen unsere Kunden per anno acht Tonnen CO2 pro SAP-System ein.
(Anm. d. Red.: Das Zertifizierungsverfahren „Leadership in Energy and Environmental Design“ wurde vom US Green Building Council entwickelt und ist der weltweite Standard zur Beurteilung für energiesparenden Immobilien.)
Das sind sie in der Tat. Die Auflösung des eigenen Betriebs macht den Carbon Footprint zum Thema des Dienstleisters – der die Einsparungen auch belegen muss. Natürlich ist der Schritt in die Cloud aber nur eine Basis für Nachhaltigkeit und dient der Verbesserung des CO2-Footprints der IT. Anwenderunternehmen werden nicht umhinkommen, eigene Reporting- und Managementsysteme für Nachhaltigkeit aufzubauen und ihre gesamte Wertschöpfungskette zu betrachten, um wirklich nachhaltig zu wirtschaften.
Der Schritt in die Cloud verbessert die CO₂-Bilanz der IT.
Richtig. Der Gedanke dahinter ist simpel: Wenn schon eine Vielzahl von Daten und Prozesse in den SAP-Systemen vorgehalten werden bzw. in diesen ablaufen, warum sollte man diese Chance nicht nutzen, um die Informationen auch für Nachhaltigkeitsaspekte zu nutzen? Dafür bietet SAP nun ein kleines Ökosystem von Services an, das bei der Auswertung von Daten und der Simulation von prozessualen Änderungen auf den Carbon Footprint helfen soll. Dazu gehört neben anderen das SAP Product Footprint Management.
Aus meiner Sicht liegen die größten Herausforderungen in der realen Bewertung des Carbon Footprints eines Produkts oder einer Komponente. Mit Sicherheit wird es große Unterschiede geben – je nachdem wie und wo z.B. ein Kilogramm Kupfer hergestellt wird. Dazu sind valide Daten nötig, mit denen das SAP-System gefüttert werden muss. Nicht zuletzt braucht es auch ein umfassendes Konzept, eine Strategie für Nachhaltigkeit, damit die Initiativen erfolgreich und zielgerichtet sind. Nichtsdestotrotz sind leistungsfähige Software-Tools ein wichtiges Puzzleteil für ein professionelles Nachhaltigkeitsmanagement.
Ein junger Markt, in dem sich Kunden erst orientieren müssen – aber sicher doch. Unser Fokus bei der Beratung ist allerdings sehr SAP-nah. Wir bringen Nachhaltigkeitskonzepte mit den Möglichkeiten von SAP zusammen. Zusätzlich kümmern sich unsere Kollegen von Detecon um das große Ganze, die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien, Sammlung und Bewertung der richtigen Daten. So erhalten Kunden ein Komplettpaket vom Konzept bis zur Realisierung in SAP – oder eben auch mit anderen Tools, die gegebenenfalls geeigneter sind und unter Umständen noch besser in das Unternehmen passen.