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Quantencomputing: Noch viel Luft nach oben

Was sind Quantencomputer und was können sie in Zukunft leisten? Wir erklären wichtige Grundlagen und beleuchten den Status quo

14. Juni 2022Fabian Placht

Von der Forschung in die freie Wirtschaft

Im Jahr 2020 belief sich das Marktvolumen für Quantencomputing weltweit auf gut 400 Millionen US-Dollar. Laut den Analysten von IDC sollen die Umsätze bis 2027 auf 8,6 Milliarden US-Dollar ansteigen. Bis Quantencomputer die Laborumgebungen hinter sich lassen und die Technologie in Unternehmen konkrete Geschäftsanwendungen unterstützt, wird es jedoch noch ein bisschen dauern. Unser Blogartikel zeigt, was Quantencomputer auszeichnet und welche Herausforderungen es gibt.

Was ist Quantencomputing?

Illustration of the Quantum Computing Vector on blue background

Heutige klassische Computer verwenden Bits – einen Strom elektrischer oder optischer Impulse, die Einsen oder Nullen darstellen. Von Tweets und E-Mails bis hin zu Netflix-Streams bestehen die digitalen Daten im Wesentlichen aus langen Reihen dieser binären Ziffern. Quantencomputing dagegen arbeitet mit sogenannten Quantenbits (kurz: Qubits), die durch Ionen oder subatomare Teilchen wie Elektronen oder Photonen realisiert werden. Die Zustände „0“ oder „1“ können sie zum Beispiel durch die Richtung des Drehimpulses (Spin) eines Elektrons oder die Richtung der Schwingungen eines Photons (Polarisation) darstellen.

Qubits haben einen entscheidenden Vorteil: Auf der subatomaren Ebene finden quantenmechanische Effekte statt, die Albert Einstein einst als „spukhaft“ bezeichnete – Superposition und Verschränkung. Sie erlauben es, dass eine zusammenhängende Gruppe von Qubits weitaus mehr Rechenleistung erbringt als die gleiche Anzahl von Bits. Aber was genau sind Superposition und Verschränkung?

Was ist Superposition?

Unter Superposition oder Überlagerung versteht man die Fähigkeit eines Quantensystems, sich in mehreren Zuständen gleichzeitig zu befinden, bis es gemessen wird. Aus Sicht der Physik kann sich zum Beispiel ein Elektron, das in einem Quantencomputer als Qubit verwendet wird, in den Zuständen „Spin up“ oder „Spin down“ befinden. Dann zeigt jeweils sein magnetischer Südpol nach oben oder unten und stellt entsprechend die Zustände „1“ oder „0“ dar.

Befindet sich ein Elektron allerdings in Überlagerung, kann es sich gleichzeitig in den Zuständen „Spin up“ und „Spin down“ befinden und stellt somit die Zustände 0 und 1 zugleich dar. Erst wenn es gemessen wird, verlässt es die Überlagerung und nimmt die eine oder die andere Position ein. Ähnlich wie eine sich drehende Münze – solange sie in der Luft ist, kann das Resultat sowohl Kopf als auch Zahl sein. Erst, wenn wir sie stoppen, sehen wir das Ergebnis.

Wenn man die Algorithmen richtig entwickelt, ist es möglich, die Kraft dieser Überlagerung effektiv zu nutzen. Dank dieses kontraintuitiven Phänomens kann ein Quantencomputer mit mehreren Qubits in Überlagerung eine große Anzahl möglicher Ergebnisse gleichzeitig durchrechnen. Das endgültige Ergebnis einer Berechnung ergibt sich erst, wenn die Qubits gemessen werden, wodurch ihr Quantenzustand sofort auf 1 oder 0 kollabiert.

Das große Quantenrauschen

Illustration Quantencomputer

Mehrere Qubits können verschränkt sein. Das heißt, ihre Quantenzustände sind voneinander abhängig. Ändert sich der Zustand des einen Qubits, ändert sich auch der Zustand der anderen. Das Überraschende an diesem Prinzip: Dies geschieht selbst dann, wenn sie durch sehr große Entfernungen voneinander getrennt sind. Es gibt bisher noch keine schlüssige Erklärung, wie oder warum die Verschränkung funktioniert. Aber sie ist einer der Schlüssel zur Leistung von Quantencomputern.

So lässt sich die Verschränkung zum Beispiel für eine superdichte Kodierung nutzen, bei der zwei Bits klassischer Information über ein einziges verschränktes Qubit übertragen werden können.

Die große Herausforderung beim Einsatz von Quantencomputing ist, dass Qubits extrem instabil sind. Sie stehen mit ihrer Umgebung in einer Wechselwirkung, die dazu führt, dass sie ihren quantenmechanischen Zustand spontan verändern können. Kleinste Erschütterungen oder Temperaturänderungen – Störungen, die in der Quantensprache als Rauschen bezeichnet werden – können dazu führen, dass Qubits aus der Überlagerung herausfallen, bevor sie ihre Aufgabe erfüllt haben. Deshalb arbeiten Quantenprozessoren in der Regel bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt und werden durch Stoßdämpfer und Vakuumkammern so gut es geht von Einflüssen der Umgebung abgeschirmt.

Was ist der Unterschied zu Supercomputing?

Quantencomputing kann komplexe Berechnungen durchführen, bei denen klassisches High Performance Computing (HPC) beziehungsweise Supercomputing an seine Grenzen stößt. Supercomputer sind große Cluster, die die Rechenleistung tausender Prozessoren wie CPUs oder GPUs verbinden. Mathematische Problemstellungen mit einer sehr großen Zahl möglicher Lösungen können sie jedoch nicht oder nur extrem langsam lösen. Ein Beispiel sind kombinatorische Optimierungsprobleme. Hierbei lautet die Aufgabe, aus einer großen Anzahl von Möglichkeiten die effizienteste auszuwählen. Wie etwa beim sogenannten „Problem des Handlungsreisenden“: Welche Route ist die kürzeste, wenn er mehrere Städte besuchen möchte? Auf den ersten Blick wirkt die Lösung einfach. Die große Herausforderung ist aber die hohe Anzahl möglicher Routen. Sie wird umso größer, je mehr Städte der Reisende besuchen will. Bei drei Städten sind es nur zwei mögliche Reiseabläufe – doch bei zehn Städten sind es schon 362.880. Ab 50 Städten wird die Berechnung so komplex, dass sie selbst für klassische Supercomputer nicht mehr lösbar ist.

Mögliche Einsatzgebiete der Technologie

Derart komplexe Optimierungsaufgaben treten etwa im Investmentbereich bei der Zusammenstellung von Portfolios auf. Sie können heutige Supercomputer überfordern – zum einen, weil ihr Arbeitsspeicher nicht groß genug ist, um die unzähligen Möglichkeiten aufzunehmen. Zum anderen, da sie seriell oder mit eingeschränkter Parallelität arbeiten und letztlich alle Möglichkeiten nacheinander ausprobieren müssen, um zu einem Ergebnis zu gelangen. Quantencomputer hingegen haben das Potenzial, alle möglichen Lösungen simultan zu bearbeiten. Neben solchen Optimierungsaufgaben eignen sie sich für Suchabfragen in sehr großen Datenmengen oder für die Entwicklung neuer Materialien und Medikamente. Denkbare Anwendungsgebiete sind auch Simulationen für Natur- und Ingenieurswissenschaften oder Anwendungen in den Bereichen Kryptografie, Künstliche Intelligenz und Machine Learning.

Doch (noch) keine Wundermaschinen?

Die Medien beschreiben Quantencomputer gerne als wahre Wundermaschinen, die die Eigenschaften von Molekülen berechnen oder Verschlüsselungen in Sekundenschnelle knacken können. Tatsächlich erreichen heutige Quantencomputer nicht mal annähernd diese Fähigkeiten. Als Faustregel gilt in der Branche, dass dafür etwa eine Million Qubits notwendig wären. Die derzeitigen Quantenrechner enthalten jedoch nur einen Bruchteil dieser Leistung – zu wenig, um Erstaunliches zu vollbringen.

Der im November 2021 von IBM vorgestellte Quantenrechner „Eagle“ arbeitet mit 127 Qubits. In der Roadmap für die Entwicklung seiner Modelle kündigt der US-Hersteller an, bis 2023 einen Computer mit 1.000 Qubits bauen zu wollen. Im Januar 2022 startete im Forschungszentrum Jülich ein spezieller Quantencomputer mit mehr als 5.000 Qubits.

Open Telekom Cloud: Brücke zur Quantenphysik

Während die Forschung auf Hochtouren läuft, steht eine kommerzielle Nutzung von Quantencomputern jedoch erst am Anfang. Um künftig eine sichere Brücke zwischen traditioneller IT und Quantenphysik zu schlagen, rückt die Cloud in den Fokus. T-Systems setzt bereits eine cloudbasierte Software zur Quantensimulation ein: Sie verhält sich wie ein Quantencomputer, ist aber deutlich günstiger. Die Open Telekom Cloud dient dabei als leistungsfähige, souveräne und sichere Cloud-Infrastruktur und als Datenspeicher. Denn eines ist abzusehen: Als hochspezialisierte Rechner werden Quantencomputer zunächst massiv auf traditionelle IT-Infrastrukturen zurückgreifen. Durch ein Gateway für High Performance Computing (HPC) und zahlreiche Kunden aus der Forschung bringt T-Systems mit der Open Telekom Cloud wichtige Erfahrungen in diesem Bereich mit.

Zur Person
Fabian Placht, Sales Expert

Fabian Placht

Squad Lead Innovation & Digitalization bei Cloud Expert Sales, T-Systems International GmbH

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