KI, Digitalisierung und die neuesten Technologien im Finanzsektor standen bei der TechVision 2024 am 18.–19. März in Frankfurt im Fokus. Heidi Schmidt, CEO der PKS Software GmbH, und Thorsten Hahn, CEO der Bankingclub GmbH, moderierten das zweitägige, von T-Systems organisierte Event.
TH: Die TechVision 2024 war eine hybride Veranstaltung mit viel Traffic und Bewegung, so bot sie eine hervorragende Möglichkeit zum intensiven Networking.
HS: Das kann ich nur unterstreichen: Das interaktive Format, das die Teilnehmer zu Mitwirkenden machte, erzeugte ein ganz eigenes Flair und eine intensive Dynamik, wie ich sie bislang selten erlebt habe. Ein sehr offenes, kommunikatives Umfeld entstand, in das sich jeder eingebracht und von seinen Herausforderungen berichtet hat.
TH: Am ersten Tag stand der Mainframe bei Banken und Versicherungen im Fokus, das alte Brot- und Buttergeschäft, welches sich zwar dramatisch verändern wird, aber immer noch rechtssicher und sauber funktioniert, performt, sogar skaliert. Am zweiten Tag haben wir einen Blick in die andere, neue, sehr spannende Welt der Digitalisierung geworfen, in der Banken und Versicherungen neue Services aufbauen – mit der gleichen Rechtssicherheit und Qualität wie die traditionellen Services.
HS: Der Mainframe ist immer noch das Rückgrat, das viele alltägliche Vorgänge zuverlässig zum Laufen bringt. In den vergangenen Jahren haben wir intensive Diskussionen über seine Ablösung geführt – mit teilweise sehr extremen Ansichten wie „Der Mainframe ist bis 2025 tot“ oder wahlweise „Bis 2026 haben wir den Mainframe durch die Cloud abgelöst“.
HS: Das stimmt mit Sicherheit nicht. Viele Verantwortliche haben erkannt, dass die Kosten und der Aufwand für die Ablösung immens sind – und der „Mehrwert“ liegt darin, dass man sich in neue Abhängigkeiten von neuen Plattformen begibt. Kaum jemand plant noch einen radikalen Umbruch, vielmehr erlebt der Mainframe aktuell eine Renaissance.
HS: Hier sollten wir die Situation sehr differenziert betrachten. In vielen großen Banken laufen – aufgrund fehlender Standard-Kernbankensysteme – immer noch Eigenentwicklungen auf dem Mainframe, die das Geschäft tragen. Sie sind unternehmenskritisch und werden in den nächsten Jahren sicher weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Bei Versicherungen sieht die Situation – je nach Größe – anders aus. Vor allem kleinere Versicherer überlegen, auf Kaufsoftware umzusteigen.
HS: Die Antwort liegt in einer Modernisierung des Mainframe, der für die nächsten Jahre zu einem integralen Bestandteil einer hybriden IT-Landschaft wird. Koexistenz ist das Schlagwort, bei der jede Plattform entsprechend ihrer Stärken eingesetzt wird. Wir empfehlen dazu drei Schritte – wenn man so will, eine Mainframe-Modernisierungsstrategie.
Die Antwort liegt in einer Modernisierung des Mainframe, der für die nächsten Jahre zu einem integralen Bestandteil einer hybriden IT-Landschaft wird. Koexistenz ist das Schlagwort.
HS: Zunächst muss der bestehende Mainframe-Code vom „Totholz“ befreit werden. Ein großer Teil des Codes wurde im Rahmen von Projekten erstellt, wodurch komplexe und unübersichtliche Applikationslandschaften entstanden sind. Wir schätzen, dass zwischen 20 und 50 Prozent des klassischen Mainframe-Codes heute nutzlos sind. Diese müssen identifiziert und entfernt werden. Das ist zwar eine mühsame Arbeit, aber es gibt heute auch Werkzeuge dafür.
HS: Im nächsten Schritt müssen wir mit modernen Entwicklungstools und -umgebungen die Grundlage für die Modernisierung schaffen. Diese Umgebungen ermöglichen den Zugriff auf alte Sprachen wie Cobol und die Nutzung von Java mit LinuxOne. Dann können neue Projekte mit neuem Code auf dem Mainframe realisiert und alte Anwendungen gleichermaßen modernisiert werden. Dann wird Cobol „nur eine andere Sprache“ und der Mainframe „nur eine andere Plattform“. Das schafft eine starke Integration von Alt und Neu und stellt auch eine Nachhaltigkeit auf der Anwendungsebene sicher. Langfristig kann der Anteil an Java-Code erhöht und eine höhere Plattformunabhängigkeit erreicht werden, was perspektivisch eine evolutionäre Ablösung des Mainframes ermöglicht, wenn gewünscht.
HS: Bisher lautete das Motto oft „alte Applikation weg, neue Applikation her“. Ist es sinnvoll, Code immer wieder wegzuwerfen und neu zu schreiben? Dadurch werden Ressourcen verschwendet. In der Bauwirtschaft bauen wir auch nicht jedes Mal ein neues Haus, nur weil wir bessere Materialien haben. Viel eleganter ist es aus meiner Sicht, die bestehende Software zu modernisieren und ihre „Mindesthaltbarkeit“ zu verlängern. Das zeugt von langfristigem Denken, was auch eine Eigenschaft des Mainframes sein sollte.
HS: Wir wissen alle, wie knapp IT-Know-how ist. Durch frühere Auslagerungen haben Finanzunternehmen insbesondere im Mainframe-Bereich große Verluste an Fachwissen eingebüßt. Externe Partner können einen Großteil dieser Wissenslücken schließen. Es ist jedoch wichtig, dass die Anwenderunternehmen in der Lage sind, diese Projekte zu managen. Eine Personalentwicklungsstrategie spielt daher eine wichtige Rolle in der Mainframe-Strategie. Mit modernen Tools können auch junge Fachkräfte für den Mainframe begeistert werden.
TH: Spannende neue Themen wie Künstliche Intelligenz (KI) haben viele Teilnehmer begeistert. Die Mitarbeiter begeistern sich für KI und Automatisierung, da sie ihre Arbeit erleichtern. Außerdem besitzen die regulierten Institute einen Datenschatz, den sie nicht optimal nutzen: Es gibt unzählige Daten in verschiedenen Datensilos; KI könnte bei der Vereinheitlichung des Datenbank-Managements helfen. Zudem fand ich es interessant zu hören, wie beispielsweise bei der Commerzbank alte und neue IT-Welten über Programmierschnittstellen zusammengeführt werden.
HS: Mir sind vor allem die aktuellen Diskussionen über die Regulatorik rund um DORA aufgefallen – wie sollen Finanzunternehmen mit der neuen Regulatorik umgehen, die vielleicht nur alter Wein in neuen Schläuchen ist? KI kann auch im Mainframe-Umfeld einen wertvollen Beitrag leisten – als Unterstützung für Entwickler, die DevOps, d.h. Kooperationen zwischen Softwareentwicklung und IT-Betrieb, auf dem Mainframe einführen, um sich in Mainframe-Programmen zurechtzufinden oder Tests zu automatisieren.
TH: Neben den bereits erwähnten Herausforderungen im Bestandsmanagement stehen Banken auch vor veränderten Kundenansprüchen. Ich würde es kritisch formulieren: Banken haben ihren Kunden in den vergangenen 35 Jahren zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Als Gewerbekunde einer Bank merke ich auch, dass diese nicht genau wissen, wie Geschäftsinhaber im täglichen geschäftlichen Umfeld funktionieren. Sie entwickeln Services, die nicht meinen Bedürfnissen entsprechen. Zudem erwarten Kunden Prozesse in Echtzeit.
TH: Ich halte einen Vortrag mit dem Titel „Das Märchen von der Zukunft der Bank“. Darin zeige ich das Online-Banking von vor 35 Jahren und vergleiche es mit dem heutigen Online-Banking – Produkttechnisch gibt es keinen Unterschied. Der Kunde macht Überweisungen, überprüft seinen Kontostand und ändert einen Dauerauftrag. Da ist die Bankenbranche also relativ „langweilig“. Die Frage für das Jahr 2024 ist nun: Müssen wir unbedingt nach neuen Services suchen oder sollten wir uns stattdessen auf das Onboarding dieser Services konzentrieren? Wie einfach kann der Kunde auf die Services zugreifen, und wie schnell kann er sie abschließen? Banken müssen sich Gedanken über das Nutzungsverhalten Ihrer Kunden machen. Was aktuell keiner im Online-Banking macht, obwohl es grandios wäre: Financial Advisory. Keine Bank hindert den Kunden daran, eine schlechte finanzielle Entscheidung zu treffen.
TH: Banken müssen mehr Services anbieten, die Kunden tatsächlich benötigen. Sie müssen mit ihren Kunden kommunizieren, ihre Bedürfnisse erfragen und passende Lösungen umsetzen. Das ist natürlich auch eine große technologische Herausforderung: Können die bestehenden Systeme den Anforderungen gerecht werden oder braucht es neue Systeme?
TH: Datensicherheit und Datenschutz werden als Themen immer wichtiger. Wir bewegen uns auf dem Weg, immer mehr persönliche Daten in Cloud-Umgebungen zu speichern. Und auch dort müssen sie umfassend geschützt werden. Es gibt genug Beispiele, die zeigen, dass wir noch nicht überall das erforderliche Schutzniveau erreicht haben.
TH: Mit der Cloud und anderen innovativen Technologien brauchen Banken und Versicherungen Partner, die ihnen helfen, Vorschriften wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einzuhalten. Die erste Initiative von T-Systems, mit Microsoft zusammenzuarbeiten, fand ich genial, da sie die deutsche und europäische Gesetzgebung verstehen und ihren Partnern in einer regulierten Branche helfen können. Mit der Sovereign Cloud wurde nun der zweite Schritt gemacht. Aber ein Bankleiter kauft keine Cloud, er braucht Services für seine Probleme. Egal, ob das in der Cloud oder auf dem Mainframe passiert. Services wie T-Systems’ Anti-Fraud oder der Know-your-customer-Service – das wollen Banken sehen. Zudem möchten Kunden schnellen und rechtssicheren Zahlungsverkehr.
Ein Bankleiter kauft keine Cloud, er braucht Services für seine Probleme. Egal, ob das in der Cloud oder auf dem Mainframe passiert. Services wie T-Systems’ Anti-Fraud oder der Know-your-customer-Service – das wollen Banken sehen.
TH: Wir werden Neugründungen, Fusionen und Pleiten sehen, aber FinTechs sind gekommen, um zu bleiben. Gleichzeitig werden sie jedoch auch konsolidiert. Wir sehen FinTechs, die ihre Leistungen direkt an Kunden verkaufen und damit in direkter Konkurrenz zu Banken stehen. Es gibt B2B-Fintechs, die technologischen Dienstleistungen entwickelt haben, sowie B2B2C-Fintechs, die Probleme an der Schnittstelle zwischen Bank und Kunde lösen. Das Risiko für die beiden letztgenannten FinTech-Gruppen besteht darin, dass Banken ihre Services nachbauen könnten, wenn sie diese für wichtig halten.
Vielen Dank für Ihre Einblicke. Klar ist: Die TechVision 2024 hat die technischen Themen adressiert, die die Finanzbranche im Rahmen der digitalen Transformation beschäftigen. Die Realität der Banken ist jedoch hybrid. Wie geht es weiter? Merken Sie sich dazu die TechVision 2025 vor – dann wird T-Systems das Format erneut aufgreifen.