Europa steckt in einem Cloud-Dilemma: Unser Kontinent hat wenig Kontrolle über Cloud-Rechenzentren und droht, bei der Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) ins Hintertreffen zu geraten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht Europa dringend eine souveräne, länderübergreifende Infrastruktur, die Rechenleistung effizient bündelt und den Echtzeitanforderungen der Industrie gerecht wird.
Die aktuellen globalen Entwicklungen machen deutlich, wie dringend Europa seine digitale Souveränität stärken muss. Dabei geht es um mehr als Datensicherheit: Wir brauchen die Fähigkeit, Technologien zu entwickeln, anzuwenden und die Kontrolle über unsere Daten zu behalten. Die digitale Souveränität Europas beruht auf drei wesentlichen Säulen:
Genau diese Fähigkeit droht Europa jedoch zu verlieren. Bei den Cloud-Rechenzentren wie auch bei der KI, die in der Cloud trainiert und angewendet wird, dominieren Lösungen von außerhalb Europas. Die Ankündigungen von „Stargate“ und „Deepseek“ rütteln die Tech-Welt auf. Das technologische Wettrüsten nimmt weiter zu.
Gemeinsam mit Partnern wie Fraunhofer, IONOS, SAP und Schwarz Digits haben die Deutsche Telekom und T-Systems deshalb im Rahmen einer von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech koordinierten Taskforce konkrete Handlungsempfehlungen1 entwickelt, um ein leistungsfähiges, nachhaltiges und unabhängiges Angebot zu schaffen. Der Markt kommt in Bewegung.
Auf über 70 Prozent Marktanteil kommen die großen US-Cloudanbieter (Big Tech) wie Amazon Web Services, Microsoft Azure und Google Cloud im europäischen Cloud-Markt. Damit diktieren sie nicht nur die technologischen Standards. Sie haben auch Einfluss auf die wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen, unter denen europäische Kunden arbeiten.
Das Problem: Wo Daten gespeichert oder verarbeitet werden, bleibt oft unklar. Es besteht das Risiko, dass sensible Unternehmens- und Kundendaten aus Europa abfließen. Zum Beispiel, wenn der Cloud-Betrieb andernorts mit billigerer Energie realisiert werden kann. Hinzu kommt der „US Cloud Act“, der US-Anbieter verpflichtet, Daten auf Anfrage an Behörden herauszugeben, ganz gleich in welchen Ländern diese gespeichert sind.
Egal ob Unternehmen, Privatpersonen oder öffentliche Einrichtungen – alle sind auf Rechenzentren angewiesen, um große Datenmengen sicher und effizient zu speichern. Doch erst durch intelligente Datenverarbeitung, innovative Cloud-Anwendungen und den Einsatz von KI entstehen echte Innovationskraft und Wettbewerbsvorteile.
Vor allem dort, wo es auf schnelle Reaktionen ankommt – etwa bei Robotern, die in automatisierten Lagerhallen Hindernissen ausweichen müssen – ist Rechenleistung in Echtzeit erforderlich. Beim autonomen Fahren sind sie sogar lebenswichtig: Selbstfahrende Autos erzeugen bis zu 4.000 Gigabyte Daten pro Stunde, darunter Kamerabilder oder Radarsignale. Diese Daten gilt es in Millisekunden zu analysieren, um blitzschnelle Entscheidungen, wie Notbremsungen, zu treffen.
Hier kommt Edge-Computing ins Spiel: Daten werden direkt dort verarbeitet, wo sie anfallen, anstatt sie über weite Strecken in eine zentrale Cloud zu senden. Das minimiert Verzögerungen (Latenzen) und entlastet die zentrale Infrastruktur. Doch weder im Edge Computing noch bei der Cloud ist Europa derzeit ausreichend auf die Anforderungen der Industrie vorbereitet.
Um die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Förderprogramme zum Aufbau von Datenökosystemen zu bündeln, gibt es jetzt die EU-Dachinitiative „8ra“. Sie gehört zu den sogenannten IPCEI, das sind die wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (Important Projects of Common European Interest). Ziel ist die Schaffung eines „Multi-Provider Cloud-Edge Kontinuums“: Eine vernetzte, souveräne digitale Infrastruktur für Europa von Europa. Dazu werden Cloud- und Edge-Technologien verschiedener Anbieter auf Basis offener Standards kombiniert.
Die Vision: eine „Super-Cloud“, die die gebündelte Power eines europaweiten Netzwerks mit den Vorteilen der Hyperscaler vereint. Sie soll dort punkten, wo die Hyperscaler Schwächen zeigen: bei der digitalen Souveränität. Ziel ist es, europäische Unternehmen zu schützen und zu stärken, indem sensible Daten sicher in eigenen Rechenzentren bleiben.
Bereits heute arbeiten zwölf EU-Mitgliedstaaten und rund 150 Partner, darunter Branchenriesen wie SAP, Siemens, Bosch, Telefonica, Orange und Airbus an diesem offenen, europäischen Betriebssystem, das die einfache Daten- und Anwendungsmigration zwischen Cloud-Anbietern ermöglichen soll. Als strategischer Infrastrukturpartner bringt die Deutsche Telekom ihre Expertise in der Bereitstellung sicherer und nachhaltiger Konnektivität ein. Genauso wie Erfahrung mit der Entwicklung innovativer Anwendungen, beispielsweise im Bereich autonome Logistik, und in der Orchestrierung von Cloud-Plattformen.
So schaffen wir gemeinsam eine Lösung für ein dringendes Marktbedürfnis: leistungsstarke Rechenkapazitäten am Netzwerkrand („at the Edge“) mit minimaler Latenz – ein zentraler Faktor für Branchen wie Maschinenbau, Automobilindustrie und Logistik. Das europäische Ziel bis 2030: 10.000 vernetzte Edge-Cloud-Knoten. Perspektivisch könnten es 100.000 Rechenzentren in ganz Europa werden.
Für die europäische Wirtschaft entstehen durch 8ra eine Reihe von Vorteilen und Chancen:
Fazit: Durch einheitliche Standards und Interoperabilität können europäische Anbieter eine konkurrenzfähige Alternative zu den Tech-Giganten bieten. Unternehmen müssen nicht befürchten, ihre Souveränität bei Daten, Betrieb und Technologien zu verlieren. Die Regierung spielt hierbei eine zentrale Rolle, indem sie als Ankerkunde auftritt, rechtliche Klarheit schafft und so das Vertrauen in neue Technologien am Markt stärkt. Es ist wichtig, dass wir Europäer jetzt handeln und unsere digitale Zukunft in die Hand nehmen. Gemeinsam. Für eine vereinte, starke und sichere Cloud – Made in Europe.
1 Acatech, „Zusammen für eine souveräne Cloud- und KI-Infrastruktur: Ein Vorschlag aus Unternehmen und Wissenschaft“, 2025, Acatech Website