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Blick durch das Autofenster auf eine vorüberziehende Stadt bei Nacht.

Krise als Chance nutzen

Die Bänder in der Automobilindustrie rollen wieder. Es ist Zeit für mehr und konsequente Digitalisierung. 

01. Juli 2020Frank Gaßner

Mehr Digitalisierung wagen

Harte Zeiten für die Automobilindustrie. Mitten in einer gewaltigen Umbruchphase bricht durch die Corona-Krise von heute auf morgen der Absatz weg. Branchenexperten rechnen mit einem Verkaufsrückgang von rund 20 Prozent. Zulieferer wie ZF kündigen an, bis 2025 bis zu 15.000 Arbeitsplätze abzubauen. Und dann enttäuscht aus Sicht der Automobilbranche auch noch das Konjunkturprogramm der Regierung. 

Flexibler werden

Eine Brücke mit einer Lücke.

Vor diesem Hintergrund könnte der Hinweis auf eine verstärkte Digitalisierung, von den Unternehmen als neunmalklug und besserwisserisch abgetan werden und auf wenig Gegenliebe stoßen. Wie soll die Digitalisierung eine Branche fit für die Zukunft machen, die mit so massiven Problemen gleichzeitig zu kämpfen hat? Doch Gespräche mit Geschäftsführern und IT-Verantwortlichen bei Autoherstellern und Zulieferern zeigen: Auch wenn die digitale Transformation Unternehmen kurzfristig nicht vor massiven Absatzeinbrüchen schützt, kann sie mittelfristig die Effizienz und Flexibilität deutlich erhöhen sowie Kosten senken – und damit einen Beitrag zu mehr Wettbewerbsfähigkeit leisten. 

Mehr Transparenz in der Zulieferpyramide 

Unternehmen haben die Zeit des Lockdowns dazu genutzt, Ansatzpunkte zu finden, mit denen sie sich zukünftig besser aufstellen können. Die Krise hat Schwachstellen aufgedeckt, die vielfach mit fehlender Transparenz oder geringer Flexibilität zu tun haben. So sind die Lieferketten in der Autoindustrie nahezu perfekt durchgetaktet. Fällt jedoch ein kleines Glied in dieser Kette aus, schlägt sich dies auf große Teile der Produktion nieder. Eine der Hauptursachen ist mangelnde Transparenz in der vielstufigen Zulieferpyramide sowie unerwartete Ereignisse wie Wetter, politische Entscheidungen etc., die man nicht beeinflussen kann, aber sich auf die globalen Lieferketten auswirken.

Diese Korrelationen, also die wechselseitigen Beziehungen der Ereignisse, kann man mit Hilfe von Daten und deren Analysen sowie mit IT-Tools aus der Cloud nicht nur beschreiben, sondern gleichzeitig für Prädiktionen nutzen. In der Logistik lassen sich so zum Beispiel komplette Lieferketten und ihre Zusammenhänge auf einen Blick darstellen. Es entsteht eine Schaltzentrale für alle Logistikteile, ein so genannter Supply Chain Control Tower. Er ist ein wichtiger Bestandteil und Vorstufe zu einer sich selbst organisierenden und autonomen Logistik.

IT macht agiler

Ein Mann schreibt auf einem Tablet, im Hintergrund mehrere orangene Roboterarme.

Allein dieses Beispiel zeigt, wie sehr heute die Autoindustrie von der IT abhängt: von der Entwicklung über die Produktion und Logistik bis hin zum After Sales. Die IT steuert nicht nur alle Prozesse. Sie bestimmt, wie flexibel und agil ein Unternehmen in Krisenzeiten aber auch in Hochkonjunkturphasen reagieren kann. Dies zeigte sich am Anfang der Krise bei den Homeoffice-Fähigkeiten, die wenigstens den Betrieb außerhalb der Produktion sichern konnte. In einigen Unternehmen waren die IT-Systeme trotz modernen Arbeitsplatzkonzepten nicht auf Homeoffice ausgelegt, weder software- noch hardwareseitig. 

Vorteile hatten die, deren ITK-Infrastruktur stärker auf Cloud-Services baute, sei es beim Zugriff auf Unternehmensanwendungen wie SAP oder PLM. Neben technischen Aspekten und der hohen Flexibilität ist ein entscheidender Punkt das Thema „Pay per use“. Wer weniger Bedarf hatte, konnte seine Kosten sofort dem Bedarf anpassen. Wer dagegen ein eigenes Rechenzentrum betreibt, kommt an gewissen Grundkosten für den Betrieb nicht vorbei. Nicht umsonst ist die Fertigungstiefe bei den Autoherstellern sehr gering, in der IT halten dagegen viele am eigenen Rechenzentrum fest. 

IoT, Big Data und KI

Die Chancen der Digitalisierung gehen aber über die klassische IT hinaus. Industrie 4.0 und die smarte Fabrik ermöglichen die horizontale und vertikale Integration aller Prozesse und machen Unternehmen flexibler und effizienter. Die Komponenten sind da und reif für ihren breiten Einsatz: Big Data und KI, IoT, 5G, AR und VR oder Edge Computing. 5G-Campus-Netzwerke ermöglichen Anwendungsfälle neu zu denken. IoT und Big Data Analytics gepaart mit KI-Verfahren zeigen datenbasiert Schwachstellen auf und damit bisher nicht identifizierte Verbesserungspotenziale. Sie alle werden sich massiv auf die produzierende Industrie auswirken, Produktionsprozesse beschleunigen, verbessern und dabei schneller und günstiger machen.

Die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen muss sich in Zukunft verstärken. Das ist einfach notwendig und überfällig.”

Wolfgang Bernhart, Roland Berger


Zeit für mehr Digitalisierung

Schon weit vor der Krise kommt eine Marktanalyse der Unternehmensberatung Oliver Wyman zum Ergebnis: Die digitale Transformation setzt die Automobilbranche unter Druck. Eine Bitkom-Studie von 2017 zeigt, dass 88 Prozent der Autohersteller und -zulieferer die Digitalisierung als Chance sehen. Und der „Global Automotive Executive Survey“ von KPMG sieht Vernetzung und Digitalisierung als die Toptrends der Automobilbranche. Bedenklich stimmt dagegen eine Kurzstudie der Beratung Simon Kucher & Partners, die besagt, dass nur etwas mehr als ein Drittel der Zulieferer in der Digitalisierung eine direkte Chance sieht. 

Die Krise hat nun offengelegt, wo digitale Transformation Unternehmensprozesse unterstützen und beschleunigen könnte. Das neue Normal der Autoindustrie wird radikal digital sein – und muss jetzt schneller kommen als es bisher auf der Agenda stand. Wirtschaftsexperten warnen daher davor, die digitale Transformation auf die lange Bank zu schieben und angesichts der finanziellen Schieflage den Digitalisierungsfahrplan zu stoppen.

Zur Person
Frank Gaßner

Frank Gaßner

Vice President Client Consulting Automotive & Manufacturing Industries, T-Systems International GmbH

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